Kommunalpolitischer Aufruf

Präambel

Der frühere Flughafen Tempelhof, das Luftbrückendenkmal und das Rathaus Schöneberg – Tempelhof-Schöneberg ist so reich an gewichtigen Wahrzeichen und Geschichte, dass der Bezirk auch über die Grenzen der Hauptstadt hinweg große Bekanntheit genießt.

Mit rund 335.000 Einwohnern (Stand 2014) ist Tempelhof-Schöneberg einer der einwohnerstärksten Bezirke Berlins. In seiner Vielfalt an Lebensweisen und Kulturen ist Tempelhof-Schöneberg ein einzigartiger Bezirk. Mit urigen und lebendigen Kiezen im Norden und ruhiger Vorstadtidylle im Süden ist er für Kreative und Querdenker, Touristen und Geschäftsleute, Fachkräfte und Studenten gleichermaßen attraktiv.

Tempelhof-Schöneberg ist ein Bezirk mit großem Potential – wirtschaftlicher wie kultureller Art. Wir wollen dieses Potential nutzen und den Tempelhof-Schönebergern die Chancen eröffnen, die ihnen zustehen. Dieser Kommunalpolitische Aufruf soll dabei unsere Ansprüche und Kernforderungen definieren und als programmatischer Rahmen für die folgenden Anträge des Jahres 2016 dienen.

 

Jugend und Bildung

Die bauliche Situation an einigen Schulen im Bezirk ist als katastrophal zu bezeichnen. Der Bezirk steht in der Pflicht, sich über die Situation an den einzelnen Schulen zu informieren und muss die Mittel des Senats konsequent einfordern und an die Schulen weitergeben. Darüber hinaus müssen die finanziellen Mittel besser priorisiert und entsprechend koordiniert werden. Es ist nicht sinnvoll, auf Wunsch der Sportverbände eine intakte Tartanbahn von Grund auf zu sanieren, wenn im zugehörigen Schulgebäude die Fenster wegen Windzugs zugenagelt werden müssen.

Sowohl, um ihnen die Möglichkeit zu geben, selbst auf solche Missstände hinzuweisen, aber auch, um Engagement und Eigeninitiative der Schülerinnen und Schüler (SuS) allgemein zu fördern, müssen ihre Möglichkeiten, sich im Bezirk zu formieren und einzubringen, gestärkt werden. Dabei ist es wichtig, die SuS nicht sich selbst zu überlassen. Der Vorsitzende des Bezirksschülerausschusses sollte mit Rederecht in den Schulausschuss der BVV kooptiert werden und eine Aufwandsentschädigung erhalten, die der der Bezirksverordneten entspricht. Darüber hinaus fordern wir den Aufbau eines Bezirksschülerparlaments, dem in angebrachtem Maße finanzielle Mittel zur Gestaltung zur Verfügung gestellt werden.

Durch eine bessere Ausstattung und Spezialisierung sollen die Schulen außerdem an Attraktivität gewinnen und ihr Profil schärfen können. Das führt schlussendlich auch zu einer größeren Heterogenität in der Schülerschaft.

Des Weiteren sollte der Bezirk dafür Sorge tragen, dass den SuS eine tiefgreifende Studien- und Berufsberatung zuteilwird.  Es reicht nicht, die SuS einmal auf eine entsprechende Messe zu schicken, auf der sie eine halbe Stunde von Privatuniversitäten umworben werden. Der Bezirk muss darauf hinwirken, dass Referenten an die Schulen geladen werden, den Schülern zur eigenen Profilierung verschiedene Wahlpflichtfächer und Kurse geboten werden, die verschiedene Berufszweige widerspiegeln und dass den SuS auch in der Oberstufe die Möglichkeit eines Praktikums gegeben wird. Nur so können die SuS später eine fundierte Studien- bzw. Ausbildungswahl treffen.

Darüber hinaus wollen wir die Hochschule für Wirtschaft und Recht (HWR) als Gründerzentrum und Hochschulstandort im Bezirk stärken.

 

Wirtschaft und Bauen

Mit gleich vier großen Industriegebieten und rund 8000 Gewerbetreibenden gehört Tempelhof-Schöneberg bereits jetzt zu den wichtigsten Wirtschaftsstandorten Berlins. Internationale Unternehmen wie Daimler und Klosterfrau prägen vor allem im Süden des Bezirks vielerorts das Stadtbild. Diese Strukturen gilt es nicht nur zu erhalten, sondern auszubauen. Umwandlungen von reinen Wohngebieten zu Mischgebieten, wie z.B. in der Nuthestraße in Lichtenrade, sind dafür grundsätzlich zu begrüßen. Sinnvoll ist dies vor allem in der unmittelbaren Umgebung der vier Industriegebiete, wo kleine und mittelständische Unternehmen die bereits vorhandenen Strukturen nutzen könnten.

Um eine ortsnahe Versorgung im Bezirks weiterhin zu garantieren, sprechen wir uns außerdem für eine Abschaffung des Zweckentfremdungsverbotes aus.

Neben der Schaffung von guten Rahmenbedingungen durch angepasste Bebauungspläne muss sich der Bezirk aber auch den Herausforderungen des Fachkräftemangels annehmen. Dafür ist es wichtig, Wirtschaft an den Schulen, allen voran den OSZs, präsenter zu machen. Der Bezirk sollte daher Messen oder innerschulische Veranstaltungen zu wirtschaftlichen Themen und über die verschiedenen Berufsmöglichkeiten in Unternehmen begrüßen und wo möglich fördern.

Die Jungen Liberalen Tempelhof-Schöneberg sprechen sich für eine Liberalisierung des Ladenöffnungszeitengesetzes aus, die auch Sonntagsöffnungen grundsätzlich ermöglicht. Bereits bestehende Freiheiten wollen wir erhalten. Insbesondere für die Spätis im Bezirks sollten generell Ausnahmeregelungen erteilt werden, damit sich die Bürgerinnen und Bürger im Bezirk auch weiterhin sonntags zumindest notdürftig versorgen können und dem Bezirk eine Spätikultur erhalten bleibt.

 

Verwaltung

Ob bei der Ummeldung, der Beantragung eines Reisepasses oder beim Gründen eines Unternehmens: Bürgerinnen und Bürger sehen sich bei den Bürgerämtern mit einem enormen Bürokratieaufgebot konfrontiert. Wir wollen die Verwaltung im Bezirk effizienter und bürger- und unternehmensfreundlicher machen. Wichtig dafür sind die ohnehin überfällige Aufstockung des Personals und eine konsequente Digitalisierung der Akten und Arbeitsvorgänge in den Ämtern. Außerdem fordern wir, die Tempelhof-Schöneberger Bürgerämter auch samstags zu öffnen.

Um gerade internationalen

 

Infrastruktur

Genau in der Mitte des südlichen Berlins gelegen, hat Tempelhof-Schönberg perfekte Voraussetzungen für eine gute infrastrukturelle Anbindung. Trotzdem braucht es schon mal mehrere Stunden, in einer Dienstagnacht von einem Nachbarbezirk bis zur eigenen Haustür zu kommen. Wir fordern deshalb einen Ausbau des Nachtbusnetzes für unseren Bezirk, der es erlaubt, von den wichtigsten städtischen Zentren der benachbarten Bezirke auch unter Woche problemlos in das Herz unseres Bezirks zu gelangen. Darüber hinaus sollte langfristig auch eine Verlängerung der U6-Linie bis zur Goltzstraße in Lichtenrade in Erwägung gezogen werden.

Außerdem muss der barrierefreie Ausbau aller U- und S-Bahnhöfe mit Nachdruck vorangetrieben werden.

 

Familie und Soziales

Ein liebenswerter und lebenswerter Bezirk setzt ein gleichberechtigtes Miteinander aller Gesellschaftsteilnehemer voraus. Daher ist es uns wichtig, dass wir sowohl die Angebote für Kinder und Jugendliche erhöhen, als auch älteren Mitmenschen die volle Partizipation zu ermöglichen. Wir fordern daher vom Bezirk ein durchdachtes und sinnvolles Konzept für Jugendtreffs und weitere Förderung von Sportstätten und Vereinen. Besonders als Chance zur Integration begreifen wir dies.

Für ältere Mitmenschen aber auch für junge Eltern sehen wir es als unabdingbar an, dass der barrierefreie Ausbau der Zugänge zum ÖPNV ausgebaut und verbessert wird. Hier ist es uns wichtig, nicht nur an Handicaps bei der Bewegung zu denken, sondern auch für Seh- und Hörgeschädigte ein umfassendes Konzept zu erarbeiten. Signalanlagen bei Ampeln und ausreichend große Beschilderung sind dazu ein Weg.

Für Familien muss ein vernünftiges Konzept erarbeitet werden, um Familie als auch Beruf vereinbaren zu können. Hierbei ist der Ausbau der Krippenplätze voranzutreiben und auf eine erhöhte Flexibilisierung zu achten. Besonders auch private und nachbarschaftliche Initiativen sind hier gleichberechtigt gegenüber staatlichen Angeboten zu unterstützen.

Im Bereich der Sozialpolitik fordern wir, dass der Bezirk seinen Schwerpunkt auf Kinder und Jugendliche aus sozial schwachen Familien legt. Berichte von Schulen, in denen zum Teil kein warmes Mittagsessen mehr serviert werden kann, da die Schüler sich dies nicht leisten können, beschämen unseren Sozialstaat. Hier fordern wir, dass im notwendigsten Fall auch der Bezirk einspringt und eine Grundversorgung gewährleistet, denn Kinder suchen sich nicht die Familie aus, in die sie geboren werden und der soziale Stand der Eltern darf nicht über die Bildungs- und Aufstiegschancen entscheiden.

 

Dresdner Bahn

Der geplante Ausbau der Dresdner Bahnstrecke durch den Bezirk entlang der S2 Linie sorgt seit mehreren Jahren für große Diskussionen.

In der Tat würden bei einer Zerteilung des Bezirks durch eine solche Bahnstrecke extreme Verkehrsprobleme vor allem in Lichtenrade auftreten. Daher erkennen wir die Sinnhaftigkeit einer Tunnellösung ab dem S-Bahnhof Schichauweg und sprechen uns für diese aus.

Wichtiger noch ist aber, den Bau der Unterführungen im Bezirk so zu koordinieren, dass der Verkehrsfluss nur im kleinstmöglichen Maße gestört wird.

Sollte das Volksbegehren „Berlin braucht Tegel“ dahingehend Erfolg haben, dass der Flughafen Tegel weiterhin betrieben wird, ist die Notwendigkeit einer Bahnanbindung an den BER über Tempelhof-Schöneberg grundsätzlich zur Disposition zu stellen.

 

Flughafen Tempelhof und Tempelhofer Feld

Im Frühjahr 2014 haben sich die Bürgerinnen und Bürger Berlins klar gegen eine Bebauung des Tempelhofer Feldes ausgesprochen. Obgleich wir den Ausgang des Volksentscheids bedauern, ist dieser zu respektieren. Gleichzeitig hat sich die Situation bedingt durch die Flüchtlingskrise im letzten Jahr drastisch geändert. Daher unterstützen wir grundsätzlich die vorübergehende Unterbringung von Flüchtlingen auf dem Tempelhofer Feld und im alten Flughafengebäude. Es ist sinnvoll, diesen Raum zu nutzen, statt, wie andernorts, weitere Turnhallen zu beschlagnahmen.

Klar muss aber sein, dass die Unterbringung einer so großen Zahl von Flüchtlingen an einem Ort nur vorübergehend erfolgen kann. Eine jegliche Nutzung, die über die als Erstaufnahmeeinrichtung hinausgeht, lehnen wir entschieden ab, da sie unweigerlich zu einer Ghettoisierung und zu erheblichen Integrationsproblemen führen würde. Dies wäre weder den Bürgerinnen und Bürgern des Bezirks, noch den Flüchtlingen zuzumuten.

Ferner muss sich der Bezirk bemühen, alternative Messehallen in Tempelhof-Schöneberg zu finden, die den vorübergehenden Ausfall des Flughafengebäudes zumindest teilweise kompensieren können. Modemessen wie die „Bread and Butter“ zogen regelmäßig Touristen und Besucher aus anderen Bezirken an und machten Tempelhof-Schöneberg zu einem Zentrum für die kreative Szene Berlins. Es wäre deshalb aus kultureller wie wirtschaftlicher Sicht ein großer Verlust, wenn diese Messen in andere Bezirke abwanderten. Dem muss vorgebeugt werden.

Sobald sich der Flüchtlingszustrom wieder normalisiert hat, sollte außerdem der Verkauf des Flughafengebäudes an einen privaten Investor angestrebt werden, da keine Notwendigkeit besteht, das Gebäude in Staatseigentum zu belassen. Dem Investor sollten im Rahmen des Denkmalschutzes alle Gestaltungsmöglichkeiten offenstehen.