Präambel
Die Jungen Liberalen Tempelhof-Schöneberg sprechen sich in aller Form gegen den welt- und deutschlandweiten Antisemitismus aus. Dabei ist es für uns unerheblich, ob dieser in physischer oder verbaler, in bewusster oder unbewusster Form auftritt. Es muss die Aufgabe Deutschlands und seiner Gesellschaft sein, für die Sicherheit jüdischen Lebens und das Existenzrecht Israels einzutreten und mit rechtstaatlichen Mitteln für dieses zu kämpfen.
Mittel- bis langfristig beginnt das Ende des antisemitischen Gedankenguts im Kopf. Die Auseinandersetzung mit dem Antisemitismus darf allerdings nicht als eine abstrakte Aufgabe für einige wenige „Problemfälle“ angesehen werden, sondern muss vielmehr als eine gesamtgesellschaftliche Herausforderung begriffen werden. Sie kann nicht allein staatliche Aufgabe oder gar Aufgabe der in Deutschland lebenden Menschen jüdischen Glaubens sein. Insbesondere Bildungseinrichtungen, staatliche- und halbstaatliche Institutionen, sowie zivilgesellschaftliche Organisationen müssen deutlich machen, dass für antisemitische An-
sichten und Handlungen in ihren Reihen kein Platz ist. Dabei sprechen wir uns auch ausdrücklich gegen jegliche Benachteiligung von anderen gesellschaftlichen Gruppen aus. Antisemitismus muss immer als Teil einer gesamtheitlichen Fremdenfeindlichkeit betrachtet werden, die es zu bekämpfen gilt.
Maßnahmen in staatlichen und staatlich anerkannten Bildungseinrichtungen
Die Jungen Liberalen Tempelhof-Schöneberg fordern die gesetzgebende Gewalt auf, konkrete Maßnahmen gegen Antisemitismus im Bereich der Kinder- und Erwachsenenbildung durchzusetzen und es nicht bei bloßen Lippenbekenntnissen zu belassen.
So sind
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Lehrer und Erzieher für den Tatbestand des Antisemitismus zu sensibilisieren und zu schulen, um bereits früh Präventivmaßnahmen einzuleiten. Dies soll im Rahmen der Aus- und Weiterbildung geschehen. Die didaktischen und pädagogischen Bildungsinhalte müssen auf die gesellschaftlichen Herausforderungen der Zeit eingestellt werden um Lehrer für eine Mediation
und Sanktion der Schüler, Auszubildenden und Kinder bei antisemitischen-, sexistischen- oder rassistischen oder anderen menschenverachtenden Entgleisungen vorzubereiten. - Meldepflichten für antisemitische Vorfälle einzurichten. Die Meldung antisemitischer Vorfälle soll an eine ständige Mediationsstelle erfolgen, die ihr Kompetenz von der Senatskanzlei erhält. Diese wird entsprechend ausgestattet, um schnell auf Einzelvorfälle an Schulen, aber genauso auf Anfrage auch an Universitäten oder in Unternehmen, zu reagieren und durch Aufklärungsarbeit, Gespräche mit Schülern, Eltern und Lehrern und Betreuung der Opfer antisemitische Vorfälle aufzuarbeiten.
- mehr Sanktionsmöglichkeiten gegen Lehrkräfte einzurichten. Dabei kann eine Versetzung nur die „gelbe Karte“ sein. Danach muss die Lehrkraft dauerhaft vom Lehrbetrieb entfernt werden. Dies soll bei jeglichen Verstößen gegen Art. 3 III GG und Art IV GG gelten, insbesondere bei aktiven Aktionen, die den Grundsatz der Gleichbehandlung verletzen oder bei solchen denen eine Verschleierung oder eine Unterlassung bzw. ein Verstoß gegen die in 2. geregelte Meldepflicht zugrunde liegen.
- der deutsch-israelische Jugend- und Bildungsaustausch zu einem Jugend- und Bildungswerk mit bilateralen Strukturen ausgebaut werden um einen kulturellen Bildungserwerb sicherzustellen und Ressentiments vorzubeugen.
- Deutsch-israelische Oberschulen und insbesondere Sekundarschulen einzurichten bzw. aktiv zu fördern.
Der staatliche Bildungsauftrag, Erziehungsberechtigte und gesetzliche Vertreter
In der zweiten Ebene fordern wir, dass neben der Jugend selbst auch die Vorbilder für junge Menschen, wie Ausbilder oder Eltern, in die Pflicht genommen werden müssen. Ein Ausbau des Angebots von Ganztagsschulen in Brennpunkten ist ein erster Schritt in die richtige Richtung. Hierdurch wird der Zugang zu jungen Menschen deutlich intensiviert und die Einflussmöglichkeit ausgebaut. Ein entsprechend einzurichtendes Erfassungssystem von antisemitischen- und rassistischen Verstößen in Bildungseinrichtungen ist für die Standortbestimmung Voraussetzung.
Als Grundlage für eine nachhaltige Bekämpfung von Antisemitismus, Rassismus und Benachteiligung von Gruppen im Allgemeinen, muss die Vernetzung und die Zusammenarbeit zwischen Eltern und Schulen, aber auch zwischen Arbeitnehmervertretern und Unternehmen gestärkt werden. Damit ein nachhaltiger Erfolg eintreten kann sind wir fest davon überzeugt, dass der Kampf gegen Antisemitismus aus freier Überzeugung und aus intrinsischer Motivation heraus, geführt werden muss.
Deshalb fordern wir die Einrichtung einer Antidiskriminierungsstelle an Schulen, Universitäten, Unternehmen und Organisationen mit über 250 Mitarbeitern, die mit mindestens einem Antidiskriminierungsbeauftragten aus dem Kollegium, der Elternschaft bzw. der Arbeitnehmerschaft besetzt ist. Diese Stelle soll als Ansprechpartner für rassistische, antisemitische, homophobe oder ähnlich herabsetzende Vorfälle fungieren und ebenjene aufklären und entsprechende Konsequenzen einfordern. Das Engagement erfolgt auf freiwilliger Basis.
Die Antidiskriminierungsstellen sollen eng mit der Mediationsstelle des Landes zusammenarbeiten und ein Forum erhalten, um sich ggf. über Schul-, Universitäts- und Unternehmensgrenzen hinweg austauchen zu können.
Rechtsstaatliche Maßnahmen
Es kann und muss das primäre Ziel sein, Antisemitismus in der Diskussion mit Sachlichkeit zu schlagen. Dort wo allerdings keine Argumente und Diskussionen mehr helfen, sondern „rote Linien“ überschritten werden, braucht es eine klare Kante! Anstatt Ausreden und Entschuldigen ins Zentrum der Analyse antisemitischer Taten zu stellen, fordern wir das Strafrecht daraufhin zu überprüfen, ob den Polizei- und Strafverfolgungsbehörden ausreichende Mittel zur Verfügung
stehen, um entscheidend, nicht nur gegen antisemitische Gewalttaten vorzugehen, welche durch den Straftatbestand der Körperverletzung abgedeckt, sondern auch konsequent gegen Verhalten vorzugehen, dass den Straftatbestand der Volksverhetzung oder der Beleidigung erfüllt. Zudem ist auch gegen das öffentliche Verbrennen von staatlichen Hoheitssymbolen vorzugehen. Dies muss insbesondere dann überprüft werden, wenn antisemitische Ausschreitungen im Rahmen von öffentlichen und genehmigten Versammlungen zu erwarten sind.
Wir fordern darüber hinaus die konsequente Erfassung antisemitischer Straftaten deutlich zu verbessern um die Dunkelziffer zu reduzieren. Wir schließen uns dem Antrag der Unionsfraktion sowie der Grünen-, FDP- und SPD-Fraktion im Deutschen Bundestag vom Januar d.J. an und fordern, dass antisemitische Straftaten wieder explizit im Verfassungsschutzbericht ausgewiesen werden sollen. Die Motivation der Täter ist ebenfalls zu erfassen um aus den statistischen Erkenntnissen Präventionsstrategien zu entwickeln.
Neben der Gefahr des unterschwelligen oder aggressiven Antisemitismus durch deutsche Staatsbürger erkennen wir eine Gefahr durch den sogenannten „Importierten Antisemitismus“, der uns im Zuge der weltweiten Flüchtlingskrise erreicht. Für uns ist selbstverständlich, dass diejenigen, die zu uns kommen, sich der Weltoffenheit und Toleranz unserer Gesellschaft verpflichtet fühlen. Daher ist eine strenge Verfolgung von Hasskriminalität auch bei Ausländern unabdingbar. Daher soll §54 Abs. 1 AufenthG so angepasst werden, dass Ausländer, die
rechtskräftig wegen Straftaten verurteilt wurden, denen Hasskriminalität im Sinne des §46 Abs. 2 StGB zugrunde liegt, unabhängig vom Strafmaß abgeschoben werden können.
Dafür ist es jedoch unerlässlich, dass die entsprechenden Polizei- und Justizbehörden Hass-kriminalität, gerade mit antisemitischem Hintergrund, überhaupt als solche erkennen. Für uns liegt daher die erste Maßnahme bei der Bekämpfung antisemitischer Straftaten bei der Sensibilisierung der Strafverfolgungsbehörden für Hasskriminalität. Bereits in der polizeilichen Ausbildung sowie wiederholt während ihrer Dienstzeit müssen Polizeianwärter und –beamte in der Erkennung von und im Umgang mit Hasskriminalität geschult werden.