Toleranz, Pluralismus und Meinungsfreiheit zeichnen den liberalen Rechtsstaat aus – insbesondere im Umgang mit Haltungen, die staatlichen Zielen und gesellschaftlichen Normen vermeintlich zuwiderlaufen. Gleichzeitig geraten Liberalität und Demokratie zunehmend unter Druck durch eine wachsende Radikalisierung in Teilen der Gesellschaft, die nicht zuletzt durch die Sozialen Medien an Dynamik und Intensität gewonnen hat, und sich in einer Verrohung der Debattenkultur, Missinformation, gesellschaftlicher Spaltung bis hin zu Gewalt gegen Minderheiten Bahn bricht. Eine Destabilisierung unseres demokratischen Gemeinwesens durch derlei Entwicklungen wollen wir nicht zulassen.
Der liberale Rechtsstaat muss resilient sein gegen Extremismus und radikale Agitation, ohne dabei selbst seine Grundsätze von Toleranz, Pluralismus und Meinungsfreiheit aufzugeben. In diesem Kontext muss auch der gesetzliche Rahmen gestärkt werden, um Resilienz unserer Demokratie zu gewährleisten, Toleranz zu erhalten und die Gesellschaft gegen unterschiedliche Extremismen zu schützen.
Hass im Netz
Immer mehr kommt es in sozialen Medien zu einer Verrohung des Diskurses, der Verbreitung von Fehlinformation und der Entstehung von Echokammern. In diesem Kontext fordern die Jungen Liberalen:
- Wir wollen in das Regelwerk des Digital Service Acts (DSA) der Europäischen Union eine unabhängige Medienaufsicht ähnlich wie in Deutschland integrieren und für Internetplattformen mit mehr als 45 Millionen Nutzern in einem jährlichen Turnus Berichtspflichten für Content-Moderation einführen.
- Social-Media-Platformen sind Gatekeeper für die Meinungsfreiheit im Netz. Dass sie auch gegen nicht rechtswidrige Inhalte vorgehen, ist aufgrund der Privatautonomie grundsätzlich zulässig, jedoch müssen sich Social Media Plattformen hierbei im Rahmen der Meinungsfreiheit bewegen.
- Bei der Verfolgung mutmaßlicher Straftaten im Netz darf die Abwägung von Grundrechten nicht in die Hände von Digitalkonzernen gelegt werden, die damit noch einflussreicher für den Meinungsbildungsprozess werden und zu overblocking neigen können. Das Netzwerkdurchsetzungsgesetz ist daher abzuschaffen. Wir setzen in erster Linie auf die individuelle Strafverfolgung durch eine personell und technisch ausreichend ausgestattete Polizei, die dafür konkret geschult und verstärkt werden muss. Zur besseren Rechtsdurchsetzung sind Plattformen dazu zu verpflichten, digitale Beschwerdemöglichkeiten für User wie sonstige Betroffene einzurichten.
- Finanzierung politischer Social-Media-Kampagnen aus dem EU-Ausland muss verhindert und die Plattformen verpflichtet werden, diese durch Transparenz und Offenlegungspflichten zu unterbinden.
- Staatliche Regulierungen und Versuche, die Verbreitung von Falschinformationen rechtlich zu sanktionieren, lehnen wir entschieden ab. Stattdessen wollen wir die Desinformationstaskforce des Bundesinnenministeriums ausbauen. Desinformationskampagnen sollen außerdem konsequent in die Berichte der Verfassungsschutzbehörden aufgenommen werden.
- Anonymität im Netz muss grundsätzlich möglich sein. Eine Klarnamenpflicht lehnen wir ab.
- Verbale Attacken im Netz und Cybermobbing dürfen rechtlich nicht folgenlos bleiben. Über die konsequente Anwendung der bestehenden Möglichkeiten des Strafrechts ist § 1 des Opferentschädigungsgesetzes vom „tätlichen Angriff mit gesundheitlichen Folgen“ um den „psychischen Angriff mit gesundheitlichen Folgen“ zu ergänzen.
Schutz vor Diskriminierung und Hasskriminalität
Intoleranz und Hass bleiben nicht nur im Raum des Verbalen, sondern manifestieren sich in diskriminierenden Handlungen oder in roher Gewalt. Um dem zu begegnen fordern wir:
- 3 Abs. 3 GG muss um das Merkmal der sexuellen und geschlechtlichen Identität erweitert werden. Diese Reform ist überfällig und notwendig, um der LGBTIQ-Community endlich einen Schutz vor Diskriminierung im Verfassungsrang zu geben. Um die Anzeigebereitschaft gegen queerfeindliche Übergriffe und Straftaten zu erhöhen, sollen bei den Polizeibehörden konkrete Ansprechpartner für homo- und transfeindliche Gewalt geschaffen werden.
- Das Allgemeine Gleichbehandlungsgesetz (AGG) soll auch eine Diskriminierung aufgrund der Staatsangehörigkeit untersagen. Damit soll insbesondere die Handhabe gegen israelbezogenen Antisemitismus gestärkt werden.
- Die Sicherheitsbehörden müssen gegen volksverhetzende oder Terrorismus billigende Botschaften, Aufrufe und Sprechchöre bei Demonstrationen und Versammlungen konsequent vorgehen, Versammlungen in solchen Fällen konsequent auflösen und in begründeten Ausnahmen von Vornherein verbieten. Dass die Berliner Polizei nach den Terroranschlägen der Hamas auf Israel am 7. Oktober zunächst nicht wegen des Verdachts auf Billigung von Straftaten gegen Sympathisanten der Hamas ermitteln wollte, die auf der Sonnenallee Süßigkeiten verteilten und den Terror gegen Juden und Israelis feierten, ist beschämend. § 140 StGB muss soweit konkretisiert werden, dass Interpretationsspielräume bei der Ahndung solcher Handlungen minimiert werden.
- Wer den Hass auf unsere Straßen trägt, kann in Deutschland keinen Aufenthaltstitel erhalten – das gilt insbesondere in Bezug auf die Ausschreitungen und antisemitischen Sprechchöre bei antiisraelischen Demonstrationen, aber z. B. auch für die Gewalt zwischen eritreischen Gruppen im September 2023. Die Möglichkeiten des Aufenthaltsrecht zur Abschiebung und Ausweisung Beteiligter müssen konsequent ausgeschöpft werden. Ferner ist eine Konkretisierung und Ausweitung der Abschiebegründe nach § 53 Abs. 1 AufenthG vorzunehmen. Eine Abschiebung oder Ausweisung soll nicht erst bei einer Gefahr für die „öffentliche Sicherheit und Ordnung“, sondern bereits bei einer Gefährdung des öffentlichen Friedens zweifelsfrei erfolgen können – etwa bei Delikten i. S. d. §§ 126 (Störung des öffentlichen Friedens durch Androhung von Straftaten), 130 (Volksverhetzung), 140 (Belohnung und Billigung von Straftaten) oder 166 (Beschimpfung von Bekenntnissen, Religionsgesellschaften und Weltanschauungsvereinigungen) StGB. Bei Straftaten in Zusammenhang mit Hasskriminalität und Volksverhetzung soll eine Abschiebung zudem unabhängig von der Höhe des Strafmaßes erfolgen.
Spaltung und Agitation auf institutioneller Ebene begegnen
Radikale Organisationen unternehmen vermehrt den Versuch, in staatlichen Gremien und Institutionen an Einfluss zu gewinnen. Gleichzeitig nutzen auch fremde Staaten Kommunikationskanäle und Finanzierungswege, um Einfluss auf die gesellschaftliche Debatte zu nehmen und die deutsche bzw. europäische Demokratie zu unterminieren. Um dies zu verhindern, fordern wir:
- Die Auslandsfinanzierung religiöser Strukturen, wie wir sie insbesondere im islamischen Umfeld erleben, muss verboten werden. Religionsgemeinschaften dürfen nicht zum verlängerten Arm ausländischer Mächte werden. Stattdessen sollte das Modell der Kirchensteuer auch anderen Religionsgemeinschaften eröffnet werden, um eine inländische Finanzierung gewährleisten zu können.
- Die Imamausbildung soll künftig in Deutschland erfolgen. Dies wiederum setzt voraus, dass Islamische Theologie an Universitäten in Deutschland studiert werden kann. Dabei darf es keine Kooperation mit DITIB oder anderen konservativen Islamverbänden, wie sie vornehmlich im Zentralrat der Muslime vorzufinden sind, geben. Wir wollen stattdessen mit liberalen Islamverbänden wie Muslimisches Forum Deutschland, Liberal-Islamischer Bund und der Ibn-Rushd-Goethe-Moschee zusammenarbeiten. Fundamentalistische Islamverbänden darf keine Mitwirkung in Gremien wie der Islamkonferenz gewährt werden.
- Fundamentalistische und aus dem Ausland finanzierte Institutionen wie das Islamische Zentrum in Hamburg (IZH) müssen geschlossen werden.
- Konfuzius-Institute, die seit 2006 von der Regierung der Volksrepublik China an deutschen Hochschulen gegründet und finanziert werden, um unter dem Vorwand der Förderung von chinesischer Sprache und Kultur Einfluss auf die akademische Lehre zu nehmen und Propaganda der Kommunistischen Partei Chinas zu verbreiten, müssen vollständig von deutschen Bildungsstätten entkoppelt werden. Hochschulen sollen künftig dazu verpflichtet werden, Mittelzuwendungen aus dem außereuropäischen Ausland zu erfassen und transparent zu veröffentlichen.
- Hochschulen müssen ein Ort der Meinungsvielfalt und Meinungsfreiheit sein. Versuchen einzelner Gruppen oder gar der Hochschule selbst, die Freiheit der Lehre zu beschränken, politisch unliebsame Veranstaltungen zu blockieren oder zu untersagen, stellen wir uns entschieden entgegen.